Zum Tod meines Bruders

Am 22. April verstarb viel zu früh und für uns alle sehr plötzlich mein Bruder Andreas Loschen. Über meine Erinnerungen an ihn schreibe ich hier

Andreas Loschen † 22.04.2008

Andreas wurde am 13. Februar 1964 in Oldenburg geboren. Am 22. Mai 1965 und am 17. November 1967 bekam er Brüder, Alf und Thomas. Im Alter von 5 Jahren, im April 1970 wurde Andreas Leben durch einen schrecklichen Autounfall nachhaltig verändert. Unser Vater starb bei diesem Unfall und Andreas wurde so schwer verletzt, daß sein linkes Bein amputiert wurde.

Er verbrachte einige Zeit in Reha-Kliniken. Zunächst wurde er regulär eingeschult, wurde aber nach kurzer Zeit wieder aus dem Schulbetrieb herausgenommen. Mit sieben wurde er dann zusammen mit Alf eingeschult. Inzwischen hatte unsere Mutter einen Mann kennengelernt und wir sind zu seiner Familie in das kleine Dorf Döhlen gezogen. Auf einmal bekamen wir vier Geschwister mehr.
Andreas schlug sich mit seinem großen Lebenswillen und -Mut durch. Er war immer fröhlich und fand Lösungen für seine Probleme, so dass im familiären Umfeld seine Behinderung kein großes Handicap darstellte. Er lernte Fahrradfahren auf eine ungewöhnliche Art – dabei benutzte er den gesunden Fuß und zog die Pedale hinten nach oben und trat dann von oben drauf oder benutzte sogar seine Krücke, um die Pedalen zu treten. Schwimmen ging sehr gut, hier hatte er wohl einiges von unserem Vater geerbt, der auch ein guter Schwimmer war. Sein Stottern, welches nach dem Unfall auftrat, bekam er verhältnismäßig schnell in den Griff.

Die Schulzeit war wohl nicht so gut – natürlich hatte er es schwer, sich durchzusetzen, weil er behindert war. Er kompensierte diesen Makel mit körperlicher Kraft. Er machte dann den Hauptschulabschluss und war bestimmt ganz froh, die Schule endlich nicht mehr besuchen zu müssen. Nach der Schule begann er eine Tischler-Lehre, gab aber nach kurzer Zeit wieder auf. Ein zweiter Anlauf als Orthopädie-Mechaniker scheiterte kurz vor der Gesellenprüfung. Andreas zog von zuhause aus und schlug sich irgendwie durch. In dieser Zeit war er ziemlich „hart drauf“ und geriet an viele falsche Freunde.

Dies besserte sich erst, als er seine spätere Ehefrau Elke kennenlernte. Elke brachte ihn wieder in die Spur. Er übernahm Verantwortung und baute mit ihr eine Familie auf. Die gemeinsame Tochter Ines wurde geboren und Andreas hatte einen gesicherten, aber anstrengenden Job in Schichtarbeit und sie kamen recht gut aus. Andreas machte viel Sport – Wing Chun (Kung-Fu). Nach einigen Jahren (inzwischen waren Marco und Nico geboren), zogen Elke und Andreas um, Andreas arbeitete als Versicherungsmakler. Leider lebten sich die beiden auseinander, Andreas hatte immer wieder neue Ideen und ließ sich sehr schnell überzeugen und mitreissen, was als Familienvater nicht gut funktioniert. Das war immer seine größte Stärke und seine größte Schwäche – er war begeisterungsfähig und glaubte immer zuerst ans Gute im Menschen. Oft fiel er damit auf die Nase und wurde enttäuscht.

In der Folgezeit machte er mehrere Jobs, kommt aber nur schlecht über die Runden – bis er Marita kennenlernt. Zu der Zeit half er mir beim Umzug in unser Haus. Nach der längeren Phase, in der Andreas haltlos vor sich hin gelebt hat, war er jetzt ganz gelöst. Marita und er verstanden sich gut, und auch die Beziehung zu seinen Kindern besserte sich zunehmend. Er arbeitete als sogenannter „1-Euro-Jobber“ im Schiffahrtsmuseum in Brake, wo die Beiden jetzt zusammen lebten. Zuletzt arbeitete er bei einem Sanitätsfachhandel und fühlte sich dort sehr wohl.

Ich habe ihn immer wegen seiner Kraft und Unbekümmertheit bewundert. Unser schönstes gemeinsames Erlebnis war für mich 1986 ein Konzert von Iron Maiden in Hannover, was wir gemeinsam mit Freunden und unserem Bruder besuchten. Wir hatten viel Spaß und amüsierten uns prächtig. Er war einfach ein Rocker und lebte das Leben so wie es kam.

Andreas starb plötzlich und unerwartet am 22. April 2008. Ich werde ihn immer vermissen!

6 Kommentare zu „Zum Tod meines Bruders“

  1. Hallo Thomas!
    Ich bin Angelika, die Schwester von Marita. Habe heute mit Ihr telefoniert und Sie hat mir von Deiner Web – Site erzählt. Habe mir natürlich Deine Gedanken zum Tode von Andreas durchgelesen. Es hat mich natürlich wieder sehr traurig gemacht. Wir haben Ihn als sehr liebenswerten, netten Menschen in Erinnerung und werden Ihn auch weiter so in unseren Herzen behalten. Wenn ich mir sein Foto so ansehe, denke ich wieder, es ist nicht wirklich. Es tut uns sehr weh, daß Er so früh gehen mußte. In diesem Sommer wollten Marita und Andreas uns besuchen. Leider hat Er es nicht mehr geschafft, zu sehen, wo und wie wir jetzt leben. Andreas war Marita eine sehr große Stütze und Sie Ihm auch.Hierzu ein Zitat von Marie von
    Ebner-Eschenbach: „Die Menschen, denen wir eine Stütze sind, geben uns den Halt im Leben“. Für Marita ist diese Stütze leider weggebrochen.Ich hoffe für Sie, daß Sie Ihr Leben weiter meistert und die Zeit diese Wunden heilt. Die beiden haben sich wunderbar ergänzt, um so trauriger ist es, zu erleben, was die Beiden in Ihrem Leben noch für Pläne hatten und Er es leider nicht mehr erleben darf.Ich hoffe für diejenigen, welche nicht so nett und aufrichtig zu Andreas waren, daß sie erfahren haben, was für ein toller Mensch Andreas wirklich war und daß denen selbst nicht so früh solche Schicksalsschläge ereilen.

    In Gedanken an Andreas und allen, denen Er am Herzen lag mit
    Vielen lieben Grüßen
    Angelika und Familie

  2. Hi Thomas, Andreas ist schon seit ein Jahr Tod und ich vermisse ihn wie wir alle sehr. Ihm geht es bestimmt gut und er sieht uns bestimmt immer zu. Zwischendurch gucke ich mir deine Seite an und les mir dann auch das was du über Andreas geschrieben hast durch. Ich hoffe das wir uns irgendwann mal wieder sehen und ich wünsche dir und deiner Familie alles gute und ganz liebe Grüße an Susi und die Kinder. Bis bald dann liebe Grüße Ines und Mika

  3. Hi Loschi,
    schöne Seite mit tiefen Einblicken in Dein Leben. Gefällt mir sehr!

    Schreiben tue ich aber aus einem anderen Grund, nämlich Andreas‘ Tod, der nun schon so lange her ist und einem vorkommt als wäre es gestern geschehen.
    Vielleicht sollte ich für die Mitleser vorausschicken, daß ich ein Jugendfreund von Thomas bin und Andreas somit aus recht „kurzer Distanz“ kenne.
    Daß ich ihn mochte und wir zu ihm aufschauten in diesen Jugendjahren bedarf sicher keiner Erwähnung. Aber mir ist spät, sehr spät etwas sehr schönes passiert, daß ich Dir Thomas und auch seinen Familienangehörigen nicht vorenthalten möchte. Mir war es vergönnt, seinen letzten Arbeitgeber kennenzulernen. Herr Klaus Kuilert betreibt eine Orthopädie- und Prothesenwerkstatt an der Unterweser und gemeinsam nahmen wir an einem Kursus einer privaten Zauberschule teil. In vielen Gesprächen auch über unser Berufsleben berichtete er irgendwann davon, einen Mann in seinen Betrieb eingestellt zu haben, wie er vorher keinen kennengelernt hatte. Der ginge derart in seiner Arbeit auf, daß es ihm mehr wie Berufung vorkam als Beruf. Und da er selber eine Prothese tragen müsse, sei er auch im Verrkauf sehr authentisch und sehr erfolgreich. Ich wurde sofort stutzig und fragte nach dem Namen, den ich eigentlich schon wußte. Bei seiner Erzählung war mir klar, daß es sich nur um Andreas handeln konnte.
    Herr Kuilert war begeistert sowohl von der Arbeit, der Arbeitseinstellung als auch der Art von Andreas. Er überbrachte mir seinerzeit auch die Todesnachricht und war völlig fertig davon.

    Mir sind die Begegnungen mit Andreas auch deshalb in so guter Erinnerung, weil sie immer so herzlich waren.

    Beste Grüße sendet
    Hinrich

  4. Hallo Thomas,
    hier ist Alf, geboren an 23.05.1965 und der Bruder von Andreas und Dir. Ich habe heute zum ersten mal auf dieser Webseite nachgesehen, weil Hinrich mir davon erzählte. Schön das du das für Andreas gemacht hast.
    Alf

  5. 3 Jahre sind vergangen und es tut immer noch weh.
    Thomas – bitte schicke am 29. Mai vom Iron Maiden Konzert einen dicken Gruß nach oben – und sag ihm auch von mir „du fehlst“

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